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mit einer Schar von Freunden (Freundinnen auch)
durch Galiläas Dörfer und Städte ziehend
hat er Kranke geheilt und Geschichten erzählt
von der Weltleidenschaft des ewigen Gottes
Privilegien der Klasse der Bildung galten ihm nichts
zu seinem Umgang zählten Tagelöhner und Zöllner
wo Mangel sich zeigte an Nahrung oder Getränk
teilte er Fische, Brot und Wein aus für viele
die Gewalt der Gewalthabenden verachtete er
Gewaltlosen hat er die Erde versprochen
sein Thema: Die Zukunft Gottes auf Erden
das Ende von Menschenmacht über Menschen
in einer patriarchalischen Welt blieb er der Sohn
und ein Anwalt unmündiger Frauen und Kinder
wollten ihn Galiläer gar zum König erheben?
er aber ging hinauf nach Jerusalem: direkt seinen Gegnern ins Garn
auf einem Jungesel kam er geritten - Kleineleute Messias:
die Finger einer Halbweltdame vollzogen die Salbung an ihm -
bald verwirrt bald euphorisch folgen ihm die Freunde, die Jünger
um bei seiner Verhaftung ratlos unterzutauchen in Dunkel
über sein Schweigen rollte der schnelle Prozess
ein Afrikaner schleppte für ihn den Balken zum Richtplatz hinaus
stundenlang hing er am Kreuz: Folter mit tödlichem Ausgang
drei Tage später die nicht zu erwartende Wendung
anstatt sich verstummt zu verziehen ins bessere jenseits
brach er von neuem auf in das grausame Diesseits
zum langen Marsch durch die vielen Labyrinthe
der Völker der Kirchen und unserer Unheilsgeschichte
oft wandelt uns jetzt die Furcht er könnte
sich lang schon verirrt und verlaufen haben
entmutigt verschollen für immer vielleicht -
oder bricht er noch einmal (wie einst Ostern) den Bann?
und also erzählen wir weiter von ihm
die Geschichten seiner rebellischen Liebe
die uns aufwecken vom täglichen Tod -
und vor uns bleibt: was möglich wär noch
Kurt Marti
Aus: Auszeiten! Texte und Gebete